IGF-Vorstandsmitglied Beatrice Stude hält sich zur Zeit in Großbritannien auf und bringt Erkenntnisse mit, die sich auch auf die Radverkehrssituation in Österreich und Wien umlegen lassen. Heute der vierte Teil von »Lessons from Britain«:
FahrradfahrerInnen brauchen schnelle Verbindungen – ein Hauptradverkehrsnetz in der Stadt. An Durchgangsstraßen für den motorisierten Individualverkehr, auf denen Geschwindigkeiten von über 30 km/h vorherrschen, brauchen RadlerInnen separate Wege. London hat das erkannt, aber Theorie und Praxis driften leider weit auseinander. Wien sollte sich ebenfalls vorrangig auf den Ausbau eines übergeordneten Radwegenetzes konzentrieren, aber keinesfalls Londons Fehler nachmachen.
Die Cycle Superhighways in London
Die Hauptidee hinter den CS war und ist schnelle Routen für PendlerInnen in und aus der Stadt zu schaffen. Zunächst sollte man sich aber einmal die Wortwahl auf der Zunge zergehen lassen: CYCLE SUPERHIGHWAY. Ein Highway ist laut Definition eine Hauptstraße, die im besonderen größere Städte miteinander verbindet; die Vorsilbe impliziert, dass es sich hierbei um die Steigerungsform handelt, also eine außergewöhnliche Form von Highway. Diese Wortwahl weckt Erwartungen, die weitestgehend unerfüllt bleiben, wenn man beginnt die CS zu erkunden. Dies sind die Gründe dafür:
- Die CS haben Öffnungszeiten, meistens von 7.00 bis 19.00 Uhr, danach darf auf ihnen geparkt werden. Schon jemals etwas von Öffnungszeiten für Autobahnen gehört? Ich bin sicher, dass sich die Leute, die in der Nähe der M1 (Autobahn A1) wohnen, sich sehr darüber freuen und den geruhsamen Schlaf genießen würden.
- Zu Olympia werden die CS einfach aufgelassen.
- Im Kreuzungsbereich muss auch schon einmal der Tastendrücker der Ampel betätigt werden, um die Straße queren und die Fahrt fortsetzen zu können. Auch das würde ich gern bei den AutofahrerInnen einmal sehen.
- Der CS (zum Beispiel der CS8 entlang der Grosvenor Road) ist gewöhnlich breit genug um sogar ausreichend Platz für das gegenseitige Überholen von RadlerInnen zu ermöglichen. Leider verengt er sich spürbar vor Kreuzungen mit Ampelschaltung oder endet gar überraschend, so dass eine Lücke zwischen dem Radweg und der Bikebox vor der Ampel entsteht, die bei Rot meist nicht überwunden werden kann.
- Auf den CS die nicht entlang von Hauptstraßen geführt werden fühlt man sich bei dem vielen um die Ecke biegen schnell wie ein hakenschlagender Hase – nur halt in Zeitlupe. Dieses Zickzack fahren zwingt die radelnden PendlerInnen schnell zum Suchen einer besseren und vor allem schnelleren Route, wie z.B. auf dem CS7 bei Elephant & Castle.
- Die CS wurden manchmal auch einfach auf die Busspur gemalt, was oft zu sinnlosen Überholmanövern zwischen Bus und RadlerIn führt, sofern man sich nicht zu den schnelleren RadlerInnen zählt. Im Berufsverkehr müssen sich jedoch unabhängig von der Geschwindigkeit alle RadlerInnen zwischen den an der Haltestelle haltenden Bussen und dem stauenden Verkehr hindurchquetschen.
Trotz allem gibt es auch Vorteile, die hier nicht unerwähnt bleiben dürfen:
- Das strahlende Blau der CS wird von den meisten AutofahrerInnen beachtet und gewöhnlich nicht befahren, anders als die dunkelgrünen, weniger sichtbaren Fahrradstreifen. Leider zählt die Polizei nicht dazu.
- Die strahlende Farbe und damit die Präsenz der CS im Straßenraum hilft das Bewußtsein für den Radverkehr zu steigern.
- Die CS können als erster Anreiz und Umsteigehilfe vom Auto auf das Rad für PendlerInnen dienen. Die Beschilderung mit Angabe zu wichtigen Punkten und der Reisezeit dorthin ist wirklich hilfreich und leicht verständlich, da ihr Design denselben Regeln wie das der U-Bahn folgt.
- Die CS sind sehr hilfreich auf den Strecken, die man nicht jeden Tag fährt, wie zum Beispiel Dienstfahrten in die Außenbezirke von London.
- Die CS Routen sind nahezu lückenlos, was auf die meisten Fahrradwege nicht zutrifft, die meist keinerlei Verbindung zu haben scheinen.
IG Fahrrad wurde zu Radlobby Wien.
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