Das Verkehrsklima scheint sich dem Wetter anzupassen und wird rauer – zumindest zwischen Radfahrern und Taxilenkern. Zwei Beispiele aus dem Alltag einer Radfahrerin.
Mein Knie schmerzt, die Wucht der geöffneten Taxitür zeigt ihre Wirkung und lässt es anschwellen. Ein unglaublicher Schmerz, so unverhofft. Oder ist es die Ohnmacht dieser Woche, die sich hier bündelt und nun körperlich niederschlägt? Zwei Nächte habe ich darüber geschlafen und schließlich den Entschluss gefasst, die erste Anzeige in meinem Leben zu machen.
Aber von vorne. Diese eine Woche hatte es in sich. Es fühlte sich rückblickend wie eine Verschwörung der Taxilenker gegen mich, die Radfahrerin, an. Jeden Tag unschöne Erlebnisse mit Taxlern. Zwei Ereignisse davon sind mir besonders in Erinnerung geblieben.
Platz machen fürs Taxi?
Die Wiener Neustiftgasse und die Burggasse sind für mich Verbindungen in den Westen, die ich gerne nutze, weil ich schnell vorankomme. Doch an einem Mittwochabend gegen halb sechs hupt mich bereits der erste Taxler kurz nach dem Volkstheater an. Kurze Zeit später der nächste, der mich auch knapp überholt. Die nächste Ampel bringt uns alle zum Anhalten. „Sie haben uns beide gerade in eine sehr unsichere Situation gebracht“, erkläre ich dem Taxler. „Was soll ich denn machen, wenn Sie mit zehn km/h hier dahinschleichen? Sie müssen an die Seite fahren, wenn Sie langsamer sind, und mich überholen lassen“, antwortet er genervt.
Kurze Zeit später an der nächsten Ampel zeigt die Radlerin neben mir auf ihren Tacho und sagt, dass wir das letzte Stück mit circa 30 km/h geradelt sind. 30 km/h also. Im Stadtgebiet. Die Neustiftgasse hinauf. Soll ich radelnd mit 30 km/h Platz für Taxis machen, während die Autos auf der linken Spur zum Stillstand kommen?
Man wird angehupt und geschnitten
Vor dem Gürtel an der Kreuzung stehen wir Radlerinnen erneut nebeneinander, dieses Mal wurde sie angehupt und geschnitten, weil sie vorschriftsmäßig mit Handzeichen auf die linke Pkw-Spur gewechselt war, um den stehenden Lkw auf der Busspur zu umrunden. „Was sollen wir denn noch machen? Wir beachten schon alle Sicherheitsvorschriften, alles ist nach StVO! Wir werden dauernd von den anderen Verkehrsteilnehmern in Gefahr gebracht“, sagt sie frustriert. Ihr Sohn, der vorne im Lastenrad sitzt, trägt den vorschriftsmäßigen Helm und sie ihren freiwillig. Licht und Reflektoren, alles da.
Für mich sind Taxis Teil meines Mobilitätspakets, aus dem ich nach Bedarf auswähle. Ich würde nicht so weit gehen, sie zum öffentlichen Verkehr zu zählen. Allerdings ist es ein großes Sonderrecht, das den Taxis zugestanden wird, die Busspur mitzubenutzen. Ein Recht, das verpflichtet. Selbst wenn die Taxifahrer das nicht so sehen sollten, sind sie doch alle Einzelunternehmer. Und gerade als Unternehmer müssten sie ihren Kunden – alle Verkehrsteilnehmer sind schließlich potenzielle Kunden – doch besondere Wertschätzung entgegenbringen. Im Moment überlege ich jedoch, wie ich Taxifahrten künftig komplett vermeiden kann. So lange, bis sich das Klima bessert. Und vielleicht einige Stunden selbst Rad fahren Teil der Taxiprüfung geworden sind.
Taxi auf dem Radweg
Und jetzt stehe ich hier in der Praterstraße, mitten in der Nacht, auf dem Radweg mit schmerzendem Knie. Neben mir das Taxi halb auf dem Radweg. „Was soll das?“, frage ich den ausgestiegenen Fahrgast und den Taxilenker fassungslos. „Das war aus Frust“, antwortet der Fahrgast. Ich hatte auf dem Radweg angehalten, ins geöffnete Taxi hineingesagt: „Das ist ein Radweg und kein Taxistandplatz“, und die Tür geschlossen, um weiterfahren zu können. Kaum dass ich wieder auf dem Rad saß, riss der Fahrgast die Tür auf und stieß mich damit vom Rad. Der Taxilenker sieht nicht ein, dass auf Radwegen keine Fahrgäste aussteigen dürfen. Der Fahrgast entschuldigt sich halbherzig. Weitere Diskussionen sind zwecklos, ich radle von dannen. Der Schock sitzt noch tief. Meine erste körperliche Verletzung im Wiener Straßenverkehr, die mir auf dem Radweg – dem für Radfahrer angeblich so geschützten Bereich – vorsätzlich zugefügt wurde.
Ausreden auf die gebaute Infrastruktur oder die Nichtkenntnis der gesetzlichen Vorschriften sind hier fehl am Platz. Jeder, der am Verkehr teilnimmt, muss für das eigene Handeln Verantwortung übernehmen und sich bewusst sein, wie durch das eigene Verhalten andere behindert oder gefährdet werden. Dieses Bewusstsein fehlt und macht ein besseres Miteinander unmöglich.
Im Dezember 2015 im der Standard als Userkommentar erschienen.
Weitere Informationen
Fünf Jahre später ist die Praterstraße wieder Tatort – Am Radweg: Erst der Körper, jetzt die Würde.