Annas Traum – Anna hat sich getraut und für ihren Traum ein leerstehendes Geschäftslokal angemietet, weil sie schon immer etwas Soziales machen wollte. Außerdem wollte sie ihren Mann aus der Wohnung haben. Sie hatte keine Lust mehr, leise um ihn herumtänzeln zu müssen, wenn er arbeitete. Annas Mann ist jetzt glücklich. Beim Arbeiten hat er Kontakt mit anderen, mit denen er sich das Lokal teilt und auch die Kosten dafür. Fürs Grätzl, also den Stadtteil, macht Anna immer wieder Workshops und Ausstellungen. Anna stellt das Lokal auch anderen Menschen, die im Grätzl aktiv sind, zur Verfügung und gibt damit der Community im Stadtteil Raum für Austausch und Vernetzung.
Annas Mann ist einer von 64.000 Einzelpersonenunternehmen (EPU) in Wien. In ganz Österreich sind es 300.000. Sie machen über 60 Prozent aller Unternehmen Österreichs aus. Für ein Viertel aller EPUs ist ihre Selbstständigkeit ein Nebenjob neben dem Hauptjob oder weiteren Erwerbstätigkeiten. In Deutschland sind es 2,1 Millionen und auch hier stellen die EPUs über 60 Prozent aller Unternehmen. Rund ein Drittel macht das nebenberuflich. Das heißt, sie haben weniger Geld für die Miete und sie brauchen die Räume nicht jeden Tag oder rund um die Uhr.
Die durchschnittliche Gewerbefläche in Wien ist 100 Quadratmeter groß und kostet meist über 1.000 Euro pro Monat. Das ist für EPUs zu groß und zu teuer. Kleine, bezahlbare Flächen sind Mangelware. Es braucht neue Modelle, die große Flächen für EPUs zugänglich und finanzierbar machen. Annas Mann teilt nicht nur seine 50 Quadratmeter, sondern auch die Kosten dafür mit zwei bis drei Personen.
Gewerbeflächen teilen als Chance für EPUs und Stadtteile
ImGrätzl.at hat diesen Bedarf erkannt und eine niederschwellige Stadtteilplattform für Kleinstunternehmen und Selbstständige geschaffen. Teil dessen ist der »Raumteiler«, eine kostenlose Online-Plattform für Raumpartnerschaften – zum Teilen von Gewerbeflächen. 2016 star- tete imGrätzl.at und hat derzeit rund 4.000 registrierte NutzerInnen. Anna und ihr Mann sind zwei dieser Nutzer*innen – sie haben über imGrätzl.at ihre Raumpartnerschaften geknüpft. Der »Raumteiler« möchte vor allem Kleinstunternehmen unterstützen und bietet darüber hinaus Services für Hauseigentümer und Bauträger. Genau an der Schnittstelle zwischen den beteiligten Akteuren hat imGrätzl.at den »Raumteiler Hub« entwickelt. Der Raumteiler bietet Lösungen, um leerstehenden Bestand zu aktivieren und Konzepte für Gewerbeflächen im Neubau.
Im Oktober 2018 erfolgte die Eröffnung des »Raumteiler Hub Dieselgasse« in Wien. Rund 650 Quadratmeter wurden dort nach zwei Jahren Leerstand wiederbelebt und nun kleinstteilig vermietet. Für 190 Euro kann man einen der 36 Arbeitsplätze aus den Bereichen Kleinsthandwerk, Kunst, Büro, Gesundheits- und Wohlfühlangebote anmieten.
Wenn wir Räume teilen, gewinnen wir alle!
Für den Neubau wurde das Konzept »Mix it« ausgearbeitet. Dabei handelt es sich um eine Art WG für Gewerbetreibende, sie sich selbst organisiert und bereits vor dem tatsächlichen Bau aktiv wird. So kann beim tatsächlichen Einzug bereits auf Netzwerke zurückgegriffen und der Start erleichtert werden.
Die Raumteiler Hubs aktivieren Leerstand und beleben langfristig. Sie setzen Impulse im Stadtteil. ImGrätzl.at ist bei diesen Projekten sowohl Kümmerer als auch Ansprechpartner und begleitet aktiv die Öffnung großer Räume für eine kleinteilige Vermietung. Ziel ist es, möglichst vielen Menschen Zugang zu bezahlbaren Räumen und Anschluss an eine unterstützende Community zu ermöglichen und damit ihren Weg in die Selbstständigkeit zu erleichtern. Die Raumteiler Hubs sind Ort für selbstorganisierte Communities. Sie beleben Erdgeschosse und lassen das Herz des Stadtteils höherschlagen.
Die Konzeption von imGrätzl.at und des Raumteilers ist leicht auf andere Orte übertragbar. Sowohl Klein- als auch Großstädte oder Regionen können davon profitieren und damit ganz niederschwellig ihre EPUs unterstützen. Anna hatte den Mut, Raum für andere zu öffnen – mit der Unterstützung des Raumteilers hatte sie ein Tool im Hintergrund, das ihr diesen Schritt erleichterte. Wenn wir Räume teilen, gewinnen wir alle!
Beitrag mit Lena Schartmüller für imGrätzl.at verfasst, veröffentlicht im Oktober 2019 in der Dokumentation zur Leerstandskonferenz 2018 in Luckenwalde.