Wir alle müssen aufs Häusl. Wenn es saubere öffentliche Toiletten gibt, dann bleiben wir länger draußen. Doch es gibt mehr Angebote für Männer sich zu erleichtern – dies kritisierten Frauen bereits um die 19. Jahrhundertwende. Über 100 Jahre später werden Pissoirs saniert und kommen neue hinzu. Müssen Männer öfters als Frauen?
Am Donaukanal in der Abendsonne mit lieben Menschen das selbst mitgebrachte Bier genießen, Zwidemu mit Freunden treffen oder tagsüber im Prater picknicken – früher oder später suchen wir ein Klo (auf) oder gehen wieder nach Haus.
Laut der Stadtzeitung Falter gab es einst 330 von der MA48 betreute WC-Anlagen in Wien. Heute sind es 158. 15 Wiener Pavillon Pissoirs und zwei neue Pissoirs. Auch die WC-Anlagen in den U-Bahnen reduzieren sich von 54 auf 31. Die Bevölkerung Wiens wächst und mit ihr wird das U-Bahn-Netz ausgebaut. Hingegen werden die WC-Anlagen abgebaut – zu teuer heißt es oft.
Sind es die Kosten, die wieder Pissoirs entstehen lassen oder haben Männer die kleineren Blasen? Stehen sie, die Männer, doch oft in Grünflächen oder an Bäumen, um sich zu erleichtern. Manchmal tun das auch kleine Kinder. Frauen hingegen nie. Können wir daraus Rückschlüsse auf den Bedarf an öffentlichen Toiletten ziehen? Im Theater, im Gasthaus, generell bei Veranstaltungen sind die Schlangen doch fast ausschließlich vor den Damentoiletten.
Seit den 1860er-Jahren waren auf stark frequentierten Plätzen und in Parks öffentliche Pissoirs errichtet worden. … Bereits zur Jahrhundertwende stieß bei manchen emanzipierten Frauen auf Kritik, dass ausschließlich Männer kostenlos „versorgt“ würden. Sie verlangten die Einführung von Frei-Pissoirs auch für Frauen. Eine Forderung, die sich jedoch nicht durchsetzte. Allerdings wurden immer häufiger kombinierte „Bedürfniss-Anstalten für Damen und Herren“ errichtet. Neben einem Pissoir enthielten sie auch Kabinen mit Toiletten und wurden von einer Wartefrau betreut. Für ihre Benützung war nun eine Gebühr zu bezahlen. Im Jahr 1910 standen in Wien insgesamt 137 Einzelpissoirs und 73 Toiletteanlagen, die von beiden Geschlechtern benutzt werden konnten.
Technisches Museum Wien
Gleichberechtigt sollen Männer und Frauen sein – auch hinsichtlich ihrer Bedürfnisse im öffentlichen Raum. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie mit gleich viel Platz auskommen. Wie die Journalistin Caroline Criado Perez umfassend belegt, brauchen Frauenkabinen mehr Platz als die Pissoirs-Kabinen-Kombi der Männer. Frauen brauchen länger, weil ein Fünftel bis ein Viertel im gebärfähigen Alter ist und Tampons oder Binden wechseln muss, weil Frauen leichter an Harnwegserkrankungen leiden, weil Frauen länger leben und im hohen Alter etwas langsamer sind. Frauen brauchen mehr Platz, mehr WCs, damit es gerechter wird!
Derzeit werden wieder Pissoirs gebaut, wie am Praterstern. All jene, die öffentliches Urinieren nicht gut finden, können es vielleicht aushalten, dass es manchmal so dringend ist, dass der nächste Baum herhalten muss. Aber mit den neuen Pissoirs mit kaum vorhandenem Blickschutz institutionalisieren wir öffentliches Urinieren und rücken es und die Menschen, die vielleicht keine Alternative haben, mitten ins Blickfeld von uns allen.
Wir Frauen stellen mit 51,3 Prozent die Mehrheit in dieser Stadt. Öffentliche Toiletten sind für uns essentielle Grundlage für die Nutzung von konsumfreien Orten, die Teilhabe im öffentlichen Raum und generell an der Gesellschaft. Diese Gleichberechtigung kostet, sie sollte es uns als Gesellschaft wert sein!
Dieser Beitrag ist im Mai 2019 auf #kommraus – Forum Öffentlicher Raum erschienen.
Weitere Beiträge von mir zum #kommraus Forum
- #kommraus – Wir wollen frei sein – Mädchen fühlen sich sicher!
- #kommraus – Zusammen sein, zusammen leben, zusammen üben! – Forumtheater
- #kommraus – Wien ist vielfältig …
- #kommraus – Kommt raus und entdeckt eure Stadt!