In der VCÖ-Schriftenreihe »Mobilität mit Zukunft« ist im November die neue Publikation erschienen. Zum Kapitel Soziale Zusammenhänge von Wohnen und Mobilität war ich eingeladen diese Schwerpunkte inhaltlich mitzugestalten:
Kindgerechtes, sicheres und bewegungsaktives Wohnumfeld
Als Beweggründe für die Nutzung eines Pkw im urbanen Raum spielen beispielsweise für Familien mit Kindern über sechs Jahren immer noch Sicherheitsbedenken bei Mobilität im Alltag eine wichtige Rolle. Kinder werden mit dem Elterntaxi in den Kindergarten oder die Schule gebracht, wodurch die Verkehrsbelastung im Schulumfeld steigt. Auch dem eigenen Kind wird damit nichts Gutes getan.
Der Schulweg ist für Kinder eine Chance, selbstständige Mobilität zu lernen und auf eine gesunde Portion Bewegung zu kommen. Gehen und Radfahren sind nicht nur gesund, sondern unterstützen die körperliche Koordinationsfähigkeit und helfen beim Stressabbau. Kinder haben viel Bewegungsdrang, wollen die Nachbarschaft entdecken, vernetzen sich mit anderen Kindern und dabei häufig auch ihre Eltern. Auch die Begegnung mit Pflanzen und Tieren lässt ihre emotionale Bindungsfähigkeit sowie ihre Empathie, Fantasie, Kreativität und Lebensfreude wachsen. Eine Studie bestätigt, dass die Nähe zu Naturräumen in der Stadt soziale Bindungen aufbaut, zwischenmenschliche Konflikte verringert sowie gemeinschaftliches, demokratisches Handeln stärkt. Für eine kindgerechte Stadtplanung sind Verkehrsberuhigung und niedriges Tempo, geringe Fahrbahnbreiten und weniger parkende Autos im Wohnumfeld für vernetzte Streifräume zu Grünräumen und Spielplätzen essenziell.
Belebte Orts- und Stadtteilzentren stärken die Nachbarschaft und die lokale Wirtschaft
Ein Arbeitsplatz in Wohnortnähe oder zu Hause vermindert nicht nur Pendelwege mit dem Pkw, sondern hilft auch der lokalen Ökonomie. Viele Alltagswege in Städten sind kürzer als fünf Kilometer. Fünf Kilometer sind in der Stadt zu Fuß in etwa einer Stunde zurückzulegen, mit dem Fahrrad in etwa 20 Minuten, mit öffentli- chen Verkehrsmitteln in etwa 15 Minuten. Wer die Kosten für das gewählte Verkehrsmittel einbezieht – das Konzept der effektiven Geschwindigkeit – stellt fest: Öffentlicher Verkehr und Radfahren sind die klaren Sieger.
In Österreich werden durchschnittlich rund 450 Euro pro Monat für das Auto ausgegeben. Der tatsächliche Preis für das Autofahren ist etwa doppelt so hoch wie die von Autofahrenden geschätzten Kosten. Autofreie Haushalte geben 40 Prozent mehr Geld in den Geschäften ihrer Nachbarschaft aus. Durch die Covid-19-Pandemie leidet gerade der Einzelhandel. Stichprobenartige Umfragen in Wien zeigen, dass ein Viertel der Einzel- und Kleinstunternehmen bereits ihre Geschäftsräume gekündigt haben oder darüber nachdenken, obwohl sie ihre Tätigkeit nicht im Home-Office ausüben können. Andere versuchen, durch Teilen der Räume, beispielsweise durch Mehrfach- oder Pop-Up-Nutzungen, diese und damit ihre Geschäftsgrundlage zu halten.
Belebte Erdgeschosszonen erhöhen auch soziale Kontaktmöglichkeiten und das subjektive Sicherheitsempfinden im Wohnumfeld. Auch die Gestaltung der Straßen und Plätze unterstützt diese Ziele, wie eine Studie der Wirtschaftskammer Wien zeigt.
VCÖ Schriftenreihe »Mobilität mit Zukunft« 2020
Weitere Informationen
- Forbes: Cyclists Spend 40% More In London’s Shops Than Motorists
- Frame Works Institute: Nature doesn’t pay may bills: Mapping the Gaps Between Expert and Public Understandings of Urban Nature and Health
- imGrätzl.at: Heißt es bald: „Alles Leerstand in Wien?“ Ergebnisse der 2. Umfragerunde
- Der Spiegel: Der unerwartet hohe Preis des Autofahrens
- Universität Duisburg / Essen: Der Einfluß des Straßenverkehrs auf die Lebens- und Entwicklungsbedingungen von Kindern
- Wirtschaftskammer Wien: Begegnungszonen in ganz Wien gefordert